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Fliegt man an das andere Ende der Welt, kann man Sommer im Winter erleben und vice versa. Wenn man es richtig anstellte, hätte man Sommer das ganze Jahr über. Aber ist es nicht eben auch der Wechsel der Jahreszeiten, der uns Heimatgefühl und Verbundenheit in die hineingeborene Landschaft gibt? In Australien jedenfalls wird man mit Road kill verwöhnt - und es sind natürlich nicht wirklich die Kadaver vom Straßenrand sondern Kängurus, Emus und Krokodile aus der Farm. Frisches blutiges Kängurusteak ist saftig, zart, leichter Wildgeschmack, eine herausragende Delikatesse, die inzwischen auch in Deutschland angekommen ist. Die einfache Küche Australiens ist leider auf dem englischen Niveau der fish&chips hängen geblieben. Durch die gewaltigen Rinderfarmen bekommt man natürlich auch ein deftiges American style T-bone Steak - lecker, saftig, die Freilandhaltung macht sich bezahlt. Australiens Küsten gehören dem Meer: seinen Früchten genauso, wie den Eroberern, die über das Meer gekommen sind: Chinesen, Japaner, Thailänder - die ihre eigene Küche im Rucksack mitgebracht und die Menüfolgen deutlich bunter gemacht haben.
Doch Australien ist nicht nur für Kängurufilets, Krokodilleder, Edelsteine und Bundaberg-Rum bekannt, sein inzwischen wichtigster Exportschlager in die Alte Welt dürfte neben Bullion-Münzen Australischer Wein sein. In Australien gibt es drei bis vier berühmte Weinanbaugebiete, die ständig wachsen, neue kommen hinzu. Im Gebiet nördlich von Adelide (Südaustralien) sind es das berühmte Barossa und Clare Valley.
Die Eroberung des Clare Valleys beginnt - wie sollte es anders sein - in Preußen. Die heidnische Intoleranz der Preußen gegen die Katholiken veranlasste den Katholiken Franz Weikert, sein Land zu verkaufen und mit allen katholischen Dorfbewohnern nach Australien überzusiedeln, um dort religiösen Frieden zu finden. Er bat die Jesuiten um Unterstützung und bekam die beiden Priester Kranewitter und Klinkowström zur Hand. Sie erreichten 1848 den Hafen von Adelide, der Bischoff von Adelide erteilte Kranewitter den Auftrag sich um die Deutschen katholischen Siedler zu kümmern, die weit im Norden verteilt lebten, Landwirtschaft und Bergbau betrieben. Sie siedelten sich im gerade gegründeten Clare an und kauften Land für 2 Pfund/Hektar zu zahlen über 20 Jahre. Sie machten das Land urbar und mit Butter verdienten sie ihr erstes Geld. In der Hoffnung ihr Gut in das Rom des Südens zu verwandeln, tauften sie ihr Gut Sevenhill nach den sieben Bergen von Rom und den Fluss, der durch das Gut fließt, nannten sie Tiber. In den nächsten 30 Jahren entstanden eine Jungenschule, ein Priesterseminar, eine Kirche, ein Missionszentrum und eine winery zum Herstellen des Altarweins. Nachdem 1853 der erste Wein in Sevenhill gemacht wurde, haben dort bis dato nur sieben Brüder als winemaker gewirkt. Noch heute fallen etwa 25% der Produktion auf den sherryartigen Altarwein, der im gesamten indopazifischen Raum vertrieben wird. Berühmt ist der St. Ignatius eine rote Cuvée aus Cabernet Sauvignion, Merlot, Malbec und Cabernet Franc- ein komplexer Wein, der an die Zusammensetzung eines Bordeaux' erinnert, sowie ohne Frage ihr Tokay aus der Tokajer-Traube wie sie behaupten, die in Wirklichkeit den schönen Namen Hárslevelü (Lindenblättriger) trägt.
Selbstverständlich gibt es noch weitere gute Weine im Clare: nach der Verkostung kaufen wir The Aberfeldy von Tim Adams, den 2000er Shiraz vom Kirrihill Estate und den McRaeWood Shiraz von Jim Barry. Auch für Riesling ist das Clare bekannt, der 2002er Kilikanoon-Riesling erfrischt uns in der Hitze während in Deutschland Schnee durch die Wälder treibt.
Größer noch als Clare ist das Barossa Valley und auch populärer da dichter an Adelide gelegen. Es ist wohl das berühmteste Australische Rotweingebiet, ebenfalls mit Deutschen Wurzeln, die ersten Weinbauern kamen aus Schlesien, Brandenburg und Posen. Barossa ist damit im Gegensatz zum Clare Valley nicht katholisch sondern lutheranisch.
Eher distanziert ist der Empfang bei den großen wineries, die natürlich auch die meisten Touristen anziehen: Penfolds und Orlando, auch der Wein, den man vor Ort verkosten kann, scheint minderer Qualität - anderseits produziert Penfolds mit seinem Grange einen der berühmtesten Rotweine der Welt überhaupt. Grange wurde wie der Spanische Secilia Vega Unico zur Legende genauso wie die ersten Bordelaiser Gewächse oder der unklassifizierte Petrus. St. Henri bleibt Penfolds bezahlbarere Alternative zum großen Bruder Grange und steht für einen typischen Australier mit purem Shiraz-Charakter. Neben den Shiraz' zählt der BIN 707 zu den vordersten Cabernet Sauvignons nicht nur der Neuen Welt(en).
Wie ein französisches Schloss steht Chateau Tanunda in der Landschaft, es öffnet den Blick über das südliche Tal, der Schattenseite, die sonnenreiche Nordseite ist fast vollständig von einem Hügel bedeckt. Daher ist das Innere des Schlosses gut klimatisiert und dient als Weinkeller selbst, eine eigentliche Unterkellerung gibt es nicht. Der Verkoster erfreut uns mit einem 98er Merlot Cabernet. Bei Hamilton's lassen wir uns mit dem Railway Barossa Shiraz verwöhnen, ein typischer Shiraz für das Barossa mit weichem Abgang. Als kleine Familienwinery empfängt uns die Heritage Winery mit seinem Rossco's Shiraz mit genauso viel Terroire. Bei Kaessler Wines erleben wir den Stonehorse G.S.M. Wieder eine Cuvée, die die Vorteile von Grenache, Shiraz und Merlot potenzieren soll. Die Grenache-Reben sind immerhin 70 Jahre alt! Ein anderer Goldmedaillengewinner kommt von Wolf Blass: Gold Label Rhine Riesling und ist ebenso in Deutschland im Handel wie Yalumba mit seinen begehrten Roten.
Noch dichter an Adelide liegen die Adelide-Berge, mit 400-500 m Höhe die kälteste Weinregion Australiens, die für ihre Chardonnays und Sauvignon Blancs bekannt ist. Gerade die viele Sonne bereitet der Weißweinbereitung in Australien manchmal Sorge, dem Rhine-Riesling wird hier erlaubterweise manchmal Säure zugesetzt, damit er auch hier zu seinem knackig sauren Abgang kommt, während z.B. in Österreich der wenigeren Sonne wegen gerne Zucker oder Glykol beigesetzt wird, eine List, die sich zum Trauma ausgeweitet hatte. Vermutlich wird der 2003er Riesling von Rhein und Mosel an seine australischen Brüder erinnern. Der ungewöhnlich heiße, lange und trockene Sommer 2003 in Deutschland hat das Säurespiel deutscher Weisweine in den Hintergrund und sein Zuckergehalt in nie gekannte Höhen getrieben. Im Moselweingut Markus Molitor wurde eine Trockenbeerenauslese mit dem höchsten in der deutschen Weinbaugeschichte jemals erreichten Mostgewicht von 331°Öchsle geerntet.
Doch verweilen wir noch kurz auf dem fünften Kontinent. Das andere große Rotweingebiet neben Barossa ist Coonawarra in Victoria: Jim Barry, Lindemans, Yalumba, Wynns und Orlando sind auch hier anzutreffen.
Im Gebiet nördlich von Sydney (New South Wales) sind es unteres und oberes Hunter Valley mit etwa 120 Wineries, darunter die älteste australische Winery: Wyndham Estate, die 1828 gegründet wurde. Hin zu den Blue Mountains findet sich eine kleinere Weinregion in den Bergen auf Vulkangestein: Orange Range, in der qualitativ sehr hochwertige Weine produziert werden.
Das obere Hunter ist bekannt für seine Chardonnays and Semillions - der Rosemount Estate Roxborough Chardonnay ist wohl der berühmteste, im unteren Hunter findet man eine größere Weinvielfalt. Insbesondere die Roten von Brokenwood gehören zu den am meisten gesammelten Weinen dieser Region: Der Rayner Shiraz stammt von 55 Jahre alten Reben. Tulloch Range macht den so genannten JY Port - ein gealterter Tawny mit viel Toffee- und Kaffeearomen im süßen Gaumenspiel. Auf unserer Winetasting-Runde kosten wir gerade in den kleineren Wineries überraschend gute Weine: z.B. bei Blueberry Hill, der 2000er Shiraz ist ein Gedicht, Tower Estate verführt uns mit Kaffe und Schokolade in Form eines 2001er Merlots von der Orange Range, der wegen der geringen Produktion (300 Kisten) nur vor Ort verkauft wird - leider, denn so einen Wein hatte ich bis dahin noch nicht getrunken.
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