Krim

Süßen Wein und sprudelnden Champagner haben die Zaren immer gemocht, ganz für sich selbst oder für ihre opulenten Feste. Eine Kommission wurde eigens dafür geschaffen teure sibirische Pelze gegen Fässer mit ungepanschtem Tokajer einzutauschen oder edlen Champagner aus Reims zu importieren. Doch unwegsame Geschichte und übermäßige Zölle vereitelten manchmal das Vorhaben. 1783 annektierte Russland die Krim und erhielt plötzlich ein unerwartetes Geschenk. Schon die Griechen hatten auf der Krim den Weinbau etabliert. Graf Potemkin intensivierte die Weinkultur in der Region und 1804 wurde die erste russische Schule für Anbau und Herstellung von Wein gegründet. Unter Alexander III. war es Fürst Lev Golizyn der sowohl die Tokajer-Tradition mit einer ausgedehnten Dessertweinproduktion in Massandra (Jalta) toppte als auch den berühmten Krimsekt nach der „méthode champenoise“ in Nowyj Swet (Sudak) mit alchimistischem Geschick etablierte. Nutznießer war dann allerdings erst der letzte Zar, Nicolaus II., der dem frühen Tod seines Vaters nachfolgte. Noch heute kann man in den 21 km langen Weinkellern der Massandra-Weinkellerei eine Kollektion von etwa 1000 Flaschen bewundern, die Nicolaus II. gesammelt hat. Sie haben sowohl die Wirren der Revolution als auch die deutsche Besetzung überdauert. Zu jener Zeit produzierte Massandra ausschließlich für die Sommerresidenz Schloss Livadia des Zaren.

Alte Weinflaschen und neue Fässer im Weinkeller von Massandra. Fotos: Peter Reichelt

Festung Sudak am SO-Ufer der Krim. Foto: Peter Reichelt 2005

Schon vor 2000 Jahren wurde in Sudak gehandelt. Sudak war Schwarzmeerhafen für orientalische Seide, befestigt wurde es 212 von den Alanen und sollte in seiner Geschichte immer wieder Prellbock zwischen Orient und Okzident werden. So zeugt eine gewaltige Genueser Befestigungsmauer aus dem 14. Jahrhundert noch heute von der Bedeutung der Stadt. 30 Hektar umschließt die chinesisch anmutende Mauer, umfasst den Trümmerberg einer versunkenen Stadt, um die sich Griechen, Byzantiner, Tatar-Mongolen, Venezianer, Genueser, Osmanen, Russen und Ukrainer den Kopf eingeschlagen haben. Der befestigte Berg ist heute von Steppe und Touristen bestanden und wird wohl noch Generationen von Archäologen den Puls beschleunigen helfen. Unterhalb der Festung liegt der heutige Badeort Sudak. Wir beziehen Quartier neben einer wolgarussischen Schuldirektorin, die mit Schwester, Tochter und Freundin angereist ist. Die raumgreifenden Damen stellen Weckglasweise Kaviar und Nemiroff, den guten ukrainischen Wodka, auf den Tisch und schon bald spüre ich die fetten Schenkel meiner Nachbarin an meinem Hosenbein.

Im Südosten werden die Krimberge etwas seichter, das Gebiet eignet sich ideal für den Weinbau. So hatten die Zaren 5 km von Sudak entfernt in Nowyi Swet ihren Lieblingsstrand, eine Bucht, die die zaristischen Landschaftsgärtner quasi in einen botanischen Garten verwandelt haben. Unweit legten sie vor 126 Jahren den Grundstein für ihre Champagnerfabrik, der zum Ort des berühmten Krimsekts avancieren sollte.

 

Der Cristal aus der Champagne war Vorbild für den Krimsekt.

Die orientale Prunksucht der Russen verlangte weiter nach ausländischen Erzeugnissen. Der Champagner der Wahl am Hofe Alexander II war wohl der Cristal, benannt nach seiner Kristallflasche, die so einen dicken Boden hatte, dass er auch ungewölbt dem Druck des Getränkes standhielt.

Erst die Sektkellerei in Nowyi Swet stärkte das nationale Weinbewußtsein des letzten Zaren, Nikolaus II. Sie blickt inzwischen auf eine 126-jährige Tradition zurück und verwendet typische Rebsorten wie Riesling, Chardonnay, Pinot Noir, Cabernet Sauvignon, und Aligoté für ihre Ausbaustufen brut (0,3-1,5% Zucker), suchoe (2-2,5%), polusuchoe (4-4,5%) und igristie vina (4,5-6,5% Zucker). Bei einer Verkostung vor Ort überzeugten alle sechs angebotenen Schaumweine. Sie stehen ihrem westeuropäischen Pendant in keinster Weise nach und triumphieren mit ihrem unverwechselbaren Charakter des Krimsekts. Leider werden in Deutschland inzwischen viele Krimsektnachahmungen minderer Qualität angeboten, die den Namen Krimsekt zu einer süßen Plörre verkommen ließen. Nowyi Swet birgt aber nach wie vor für höchste Qualität!

Weiter westlich, in Bessarabien (heute Moldawien) zwischen Donaudelta, Dnjestr und dem Schwarzen Meer wurde schon vor 4000 Jahren Wein angebaut. Die Domäne der Romanows war hier 600 Hektar groß, der bekannteste Wein ist heute der Romanesti de Moldova.

 

 

Nowoij Swet, Sektkellerei der Zaren, inzwischen ISO 9001-zertifiziert. Fotos: Peter Reichelt.