Spanien

Barcelona. Foto: Marcus Schütz 2006

In Spanien war ich schon unterwegs, als sich Wein gerade erst anfing strukturierter in mein Lebensgefühl einzuschneiden. Wieder einmal waren wir mit dem Motorrad unterwegs. Fast am Ende der Welt angekommen, entdeckten wir einen rauschenden Bach in den Pyrenäen dessen Sandbank zum Übernachten einlud. Wir schlugen unsere Zelte am Ufer des Stroms auf und das Getöse unserer Maschinen war nun durch das Rauschen des Gebirgsbachs dezibelgleich ersetzt. Die Leere in der Magengrube ließ uns noch einmal aufsitzen, um nach Proviant für den Abend Ausschau zu halten. Nach flotter Fahrt erreichten wir schließlich ein winziges Bergdorf, an dessen gewundener Straße immerhin ein Einkaufladen mit dem verwirrenden Namen Aldi lagerte. Zum Glück hatte dieser Laden nichts mit dem deutschen Billigdiscounter zu tun. Immerhin bot uns seine Stirnseite ein weitläufiges Weinregal. Ein preisbewusster Mitreisender krabbelte schon auf allen vieren, um nach anderthalb Liter Flaschen Ausschau zu halten, während wir die verstaubten Flaschen der oberen Reihen zu inspizieren versuchten. Übereinandergeklebte Preisschildchen in dieser Reihe zeigten nicht nur Inflationsrate sondern auch allgemeines Desinteresse der Bergbevölkerung. Dann entdeckten wir einen Rioja Alta von 1986, verstaubt wie seine Nachbarn, aber von der allgemeinen Preiserhöhung offenbar verschont geblieben. Wir wollten es wissen und investierten etwa 15 Mark für diese Flasche. Zurück am rauschenden Bach, entkorkten wir den guten Tropfen, reichten die Flasche von Mann zu Mann und bedauerten es augenblicklich als Motorradfahrer ohne Glas unterwegs sein zu müssen. Das Bouquet erschloss sich uns nicht und konnte allenfalls erahnt werden, aber Zunge und Gaumen labten sich an der Freude, die dieser Saft am Ende der Welt erregte. Es folgten 7000 km Rundtour durch Spanien bis wir wieder kurz vor der französischen Grenze ein letztes Mal nach einer Unterkunft suchten. Wieder waren es die Pyrenäen und wieder verließen wir die Hauptstrasse, zermalmten unsere Hinterräder noch dampfen Kuhfladen, bis wir endlich kurz vor Ende der Strasse eine Herberge in einer kleinen Berghütte erreichten. Das Häuschen war dann doch größer als von außen erahnt und gleich nach Anmietung der Zimmer folgte die Frage, ob wir auch geruhten hier zu Abend zu speisen und ob uns 20 Uhr genehm sei. Klar stimmten wir der Einladung zu und fanden uns auch Punkt acht im Speisesaal ein. Der Mann von der Rezeption hatte sich inzwischen in einen livrierten Kellner verwandelt und beim Studieren der Speisekarte, die allein Gaumenfreude genug gewesen wäre, stolperten wir wieder über unseren Rioja Alta, diesmal jünger und teurer. Der Viña Ardanza 1989 kostete jetzt schon 25 Mark, aber, wir wollten schließlich das halbe Erlebnis vervollständigen. Während wir auf Wein und Menü warteten, entdeckten wir die Auszeichnungen des Kochs, die in kleinen Nischen ausgestellt waren und konnten uns nur darüber verwundern, wie diese ausgezeichnete Küche sich hierher verirrt hatte. Zurück in Berlin hielt ich natürlich Ausschau nach unserem Urlaubserlebnis und entdeckte den 1995er schließlich bei einem Weinhändler für etwa 35 Mark. Es blieb mir nichts anderes übrig als den Ärger über die mangelnden Transportmöglichkeiten eines Motorrads herunterzuschlucken und tief in die Tasche zu greifen. Aber ich tröstete mich damit, zumindest noch kein Geld für ein langweiliges Auto ausgegeben zu haben und schlussendlich dem Hochgenuss der Unmittelbarkeit von Landschaft, Asphalt und Wetter, die der Motorradfahrer erfährt.

© Marcus Schütz 2007