Ungarn

Gewölbe von Ferenc Rákóczi II (1676-1735)  Fürst von Siebenbürgen und Ungarn, Freiheitskämpfer gegen die Habsburger. Vom Gewölbe erstrecken sich 4,5 km hauptsächlich mit Göncer Fässern angefüllte Kellergänge.

Aus dem Gebiet Tokaj-Hegyalja im Nordosten Ungarns kommt der berühmte Tokajer. Die Tokajer-Süßweine erlangten schon im 15. Jahrhundert an Gefallen, 200 Jahre vor den Sauternes. Wie auch beim Sauternes ist das Herbstklima entscheidend für die Bereitung der süßen Botrytis-Weine. In Tokaj fließt die Bodrog in die Theiß und sorgt für den herbstlichen Frühnebel, der für die Edelfäule unabdingbar ist. Die botrytisbefallenen Trockenbeeren werden Idealerweise ab dem Simon-Judas-Tag (28. Oktober) in Puttonyos handgesammelt und zu Brei zertreten. Anschließend wird der so genannte Aszúbrei in 136 l-Göncer-Fässern mit Jungwein vor allem aus den Trauben Furmit und Hárslevelü aufgefüllt. Die Menge des zugegebenen Aszúbreis (3-6 Puttonyos) bestimmt den späteren Zuckergehalt des Tokaji Aszù. So beträgt der Mindestzuckergehalt eines 5-Puttonyos Aszú beispielsweise 150 g/l.

Im Gegensatz zum Sauternes wird der Aszú traditionell oxydativ ausgebaut. Bei dem Ausbau des Weines in den Holzfässern verdunstet Alkohol durch die Holzwände. Die in die Fässer eindringende Luft oxydiert den Aszú zur typischen Bernsteinfarbe. Der verdunstete Alkohol seinerseits füttert den schwarzen Kellerpilz Cladosporium cellare, der für das einzigartige Mikroklima im Tokajer Vulkanberg sorgt. Die Wände der kilometerlangen Gänge sind damit komplett überzogen, ja samtweich abgepolstert.

Der Tokajer war der Wein der Könige und Kriege. Mit ihm finanzierte Fürst Ferenc Rákóczi II. seinen Freiheitskampf gegen die Habsburger und er benutzte ihn als diplomatisches Mittel, um sich die Hilfe des französischen, preußischen und russischen Hofes zu sichern. So kamen Peter der Große, Ludwig XIV. und Friedrich I. in den Genuss des edelsüßen Tropfens; der Zarenhof etablierte im 18. Jahrhundert eine Weinkaufkommission in Tokaj, die ungepanschten Aszú möglichst zollarm nach Russland gegen teure Pelze eintauschte.

Etwas weiter westlich, kurz vor der Hauptstadt Budapest, befindet sich das Weingebiet um Eger, das für sein  Stierblut (Egri Bikavér), eine Cuvée aus Kadarka, Cabernet Sauvignon, Kékfrankos, Kékoporto und Merlot, bekannt ist.

Das südlichste Weinanbaugebiet Ungarns befindet sich in der Region Villány. Die Güter sind inzwischen privatisiert bzw. in ausländischer (vor allem österreichischer und französischer) Hand. Neue Flächen in der Ebene wurden erschlossen. Ob diese Weine an die Hangweine herankommen werden, wird der Klimawandel zeigen. Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Pinot Noir, Chardonnay und Muskat Ottonel gehören hier zu den gängigen Rebsorten.

© Marcus Schütz 2005, 2011